Spycher: Literaturpreis Leuk

Barbara Honigmann: "Der Blick übers Tal. Zu Fotos von Arnold Zwahlen."

  • Herausgegeben von Thomas Hettche.
  • Edition Spycher 3 im Verlag von Urs Engeler, Basel / Weil am Rhein, 2007. Gebunden, Leinen, 110 Seiten,
  • ISBN 978-3-938767-38-2

„Hier ist es zu schön, da können wir nicht bleiben“, schrieb Barbara Honigmann einmal. Eine Haltung zur Welt, die denkbar konträr zu jener Arnold Zwahlens steht, dessen Photographien unter dem Motto entstanden sein könnten, daß es hier, wo man lebt, gerade deshalb schön ist, weil man bleiben muß.
Eine unbedingte Städterin und Europäerin, deren Lebenshintergrund sich über dem ganzen Kontinent aufspannt, eine Jüdin, deren Lebensgeschichte von der Historie bestimmt worden ist, und eine Schriftstellerin, die die Länder und die Sprachen wechselte, betrachtet die Photographien eines Mannes, der fast sein ganzes Leben in einem Radius von wenigen Kilometern verbracht hat, und dessen Bilder nichts zeigen als Alltagsleben, das sich in eben diesem engen Radius und um die Stadt abspielte. Und zwar auch zu jener Zeit, als sich im übrigen Europa die Katastrophe des jüdischen Lebens vollzog.
Zwei Leben, die auf gewisse Weise von den denkbar entferntesten Punkten des zwanzigsten Jahrhunderts ihren Ausgang nahmen, treffen in diesem dritten Band der Edition Spycher aufeinander. Blicke überwinden Entfernungen mühelos. Barbara Honigmanns Blick auf die Bilder Arnold Zwahlens überwindet dabei die Zeit. Ihre eigene und jene, die in diesen Bildern sich aufgespeichert hat. Denn Zeitmesser ist der Photograph ebenso wie die Schriftstellerin. Als eine Arbeit „kurz hinter der Wahrheit und dicht neben der Lüge“ hat Barbara Honigmann einmal ihr Schreiben charakterisiert. Es ist ein Tun, das daran glaubt, es läge ein Sinn darin, wenn wir etwas von unserer Welt bewahren und zeigen. Und in gewisser Weise ist beides wohl auch dasselbe.